Die rechtlichen Verpflichtungen und anderen Anforderungen sind ein zentraler Punkt bei der Einführung eines Arbeitsschutzmanagementsystems (auch Managementsystem für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit genannt). Die Ermittlung relevanter Rechtsanforderungen wird in der Arbeitsschutzmanagement Norm ISO 45001 zentral gefordert. Ebenso ist die Sicherstellung ihrer Einhaltung von zentraler Bedeutung für das SGA Management. Auch hierzu sind Anforderungen im Abschnitt 6 „Planung“ der Norm enthalten, nämlich in 6.1.3 „Bestimmung rechtlicher Verpflichtungen und anderer Anforderungen“. Auf dieser Seite stellen wir Ihnen die ISO 45001 Anforderungen an rechtliche Pflichten vor und zeigen, wie Sie rechtliche Verpflichtungen und anderen Anforderungen im Arbeitsschutz normkonform bestimmen.
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1. ISO 45001 Grundlagen2. ISO 45001 Einführung
3. Kontext der Organisation
4. Arbeitsschutzpolitik & -ziele
5. Rollen, Verantwortlichkeiten, Befugnisse
6. Risiken & Chancen
7. Rechtliche Verpflichtungen & Anforderungen
8. Ressourcen, Kompetenz, Bewusstsein
Was fordert die Norm ISO 45001 in Bezug auf die rechtlichen Verpflichtungen?
Unter-Unterabschnitt 6.1.3 fordert, rechtliche Verpflichtungen und andere Anforderungen, die für Gefährdungen, Risiken sowie das SGA Managementsystem gelten, zu bestimmen. Es muss dabei festgelegt werden, wie diese auf die Organisation angewendet werden und ihnen ist im Arbeitsschutzmanagementsystem „Rechnung zu tragen“. Über die rechtlichen Verpflichtungen und anderen Anforderungen müssen zudem dokumentierte Informationen aufrechterhalten und aufbewahrt werden, die zu aktualisieren sind. Was ist damit gemeint? Rechtliche Verpflichtungen sind Vorschriften aus Rechtstexten, im Arbeitsschutz also aus EU-Verordnungen (die in den EU-Mitgliedsstaaten direkt – ohne Umsetzung in nationales Recht – verbindlich sind), Gesetzen und Verordnungen sowie DGUV-Vorschriften (die Unfallversicherungsträger sind nach § 15 Sozialgesetzbuch VII berechtigt, Unfallverhütungsvorschriften als autonomes Recht zu erlassen).
Weiter sind auch arbeitsschutzrelevante Verpflichtungen aus Genehmigungen (Auflagen und Nebenbestimmungen) zu beachten. Im (nicht verbindlichen) Anhang der ISO 45001 sind auch Gerichtsurteile als Quelle rechtlicher Pflichten aufgeführt – fachlich ist dies nicht ganz richtig, denn in Deutschland sind (im Unterschied zu manchen anderen Ländern wie den USA) Richter nur an das Gesetz gebunden (Art. 97 (1) Grundgesetz), nicht aber an Urteile anderer, auch höherer Gerichte.
Weitere Verpflichtungen
Einzige Ausnahme: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden andere Gerichte (Art. 31 (1) Bundesverfassungsgerichtsgesetz). Alle anderen Gerichtsurteile können also nur Tendenzen bei der Interpretation von Rechtsvorschriften aufzeigen, sind aber selber keine und müssen daher – in Deutschland – auch nicht im Rahmen des SGA Managementsystems ermittelt werden. Andere Anforderungen sind z.B. solche aus Verträgen (etwa mit Kunden oder Tarifverträge) und aus Vereinbarungen (im Arbeitsschutz spielen z.B. oft Betriebsvereinbarungen eine Rolle) oder Selbstverpflichtungen – auch solche der Mutter- oder Dachorganisation, die für den Anwendungsbereich des SGA Managementsystems gelten.
Diese Verpflichtungen müssen ermittelt und dokumentiert werden (Anforderung nach „dokumentierter Information“); für eine regelmäßige Aktualisierung ist Sorge zu tragen. Festzulegen, wie diese auf die Organisation angewendet werden, bedeutet, Aufgaben abzuleiten: Was muss wo gemacht werden? Ihnen im SGA Managementsystem „Rechnung zu tragen“ bedeutet, die Einhaltung sicherzustellen, mindestens durch Festlegung von Maßnahmen (wenn solche einmalig erforderlich sind) oder von Zuständigkeiten (wenn die Verpflichtung nicht mit einer einmaligen Maßnahmen umgesetzt werden kann, sondern dauerhaft beachtet werden muss). Ggf. – wenn die Festlegung von Zuständigkeiten nicht ausreicht – kann die Festlegung von ablauforganisatorischen Vorgaben erfolgen, etwa die Aufnahme in bestehende oder die Erstellung neuer Prozessbeschreibungen, Verfahrens- oder Arbeitsanweisungen.
Wie werden rechtliche Verpflichtungen und andere Anforderungen gem. der Norm ISO 45001 ermittelt?
Da das Arbeitsschutzrecht recht umfangreich und komplex ist und die Einhaltung über die Anforderungen der ISO 45001 hinaus schon zur Vermeidung von Ordnungswidrigkeiten oder gar Straftaten wichtig ist, ist die Ermittlung relevanter Verpflichtungen von großer Bedeutung und erfordert Fachkunde. Im Idealfall ist die Fachkraft für Arbeitssicherheit bereit, sich hieran zu beteiligen; sie sollte die relevanten Rechtstexte kennen. Hilfreich sind auch DGUV-Informationen zu Tätigkeiten im Betrieb, die in der Regel Hinweise auf geltende rechtliche Anforderungen im Arbeitsschutzenthalten. Oftmals werden aber auch externe Berater hinzugezogen. Ein Zugriff auf bekannte Texte ist über das Internet problemlos möglich. Technische Regeln zum Arbeitsschutz sind keine Rechtstexte; wichtige Technische Regeln können (müssen aber nicht) zumindest als Erinnerung ihrer Existenz mit in das Rechtskataster aufgenommen werden (die Texte sind beispielsweise auf der Webseite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) unter den jeweiligen Themen (Themen von A bis Z) zugänglich).
Alternative Quellen
Alternativ zu den genannten Quellen können ebenfalls kostenpflichtige Portale im Internet genutzt werden, die die (allgemein, nicht für das Unternehmen) relevanten Rechtstexte bereits zusammengestellt haben, etwa „umwelt-online“, das auch Vorschriften zum Arbeitsschutz enthält. Praktisch bedeutsame Urteile des Bundesverfassungsgerichts zum Arbeitsschutz gibt es bisher nicht, sie würden vermutlich in der Presse intensiv diskutiert und wären auf der Webseite unter „Entscheidungen“ (Aktenzeichen oder Suchwort: Arbeitsschutz) einsehbar. Welche „anderen Anforderungen“ für den Arbeitsschutz relevant sind, muss dabei im Betrieb selbst recherchiert werden.
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Dokumentation
Zur Dokumentation hat sich ein „Rechtskataster“ bewährt, das etwa als Excel-Tabelle (siehe Vorlage zu diesem Artikel) die folgenden Spalten enthalten sollte: Rechtstext (ggf. mit Internet-Quelle verlinkt), Stand (erleichtert die Prüfung der Aktualität) und Verpflichtung (Kurzfassung, mit §/§§, um schnell im Originaltext nachsehen zu können). Die Kunst bei der Erstellung des Rechtskatasters ist es, die für das Unternehmen relevanten Verpflichtungen zu ermitteln, ohne dabei zu sehr ins Detail zu gehen und das Kataster mit irrelevanten Pflichten aufzufüllen, die später – und sei es nur aufgrund des Umfangs – die Umsetzung erschweren. Vor allem müssen solche Verpflichtungen aufgenommen werden, bei denen das Unternehmen selbst, ohne Anstoß von außen, tätig werden muss.
Beispiel: §§ 5, 6 ArbSchG: Durchführung und Dokumentation einer Gefährdungsbeurteilung. Die Pflicht etwa, der Aufsichtsperson der BG Zutritt zum Betriebsgelände zu gewähren, muss dagegen nicht unbedingt aufgenommen werden – darauf wird diese ggf. schon hinweisen. Das Rechtskataster ist ja kein Selbstzweck, sondern soll dazu beitragen, dass das Unternehmen nicht gegen Vorschriften verstößt. Dieses Rechtskataster muss dabei in angemessenen Abständen aktualisiert werden, um Änderungen in den Rechtstexten einpflegen zu können. Ebenfalls für die Aktualisierung sind Zuständigkeiten festzulegen; länger als drei Monate sollten die Abstände zwischen den Aktualisierungen nicht sein, sonst ist die Gefahr zu groß, wichtige Änderungen nicht rechtzeitig mitzubekommen.
Rechtliche Verpflichtungen und andere Anforderungen im Arbeitsschutz können Sie im Internet einsehen
Europäische Rechtsvorschriften, also auch EU-Verordnungen, sind auf dem vom Amt für Veröffentlichungen der EU betriebenen Webseite EUR-Lex in allen Amtssprachen zugänglich. Aktuelle Texte von deutschen Gesetzen und Verordnungen sind auf der vom Bundesjustizministerium betriebenen Webseite juris.de zu finden. Die Vorschriften der Berufsgenossenschaften sind bei der jeweiligen Berufsgenossenschaft und auf dem Portal der DGUV zugänglich.
Diese rechtlichen Anforderungen und andere Verpflichtungen müssen eingehalten werden
Sind die relevanten rechtlichen Verpflichtungen identifiziert, muss festgelegt werden, wie deren Einhaltung sichergestellt werden kann. Dazu müssen Sie zunächst einmal in Aufgaben „übersetzt“ werden – was muss im Betrieb gemacht werden, um die jeweilige Verpflichtung einzuhalten. Anschließend müssen die Aufgaben „Aufgabenträgern“ (Stellen) zugeordnet werden. Die Art der Aufgaben kann je nach rechtlicher Verpflichtung sehr unterschiedlich sein: Manches sind technische oder organisatorische Aufgaben, für die Zuständigkeiten festgelegt werden können (Wer installiert die Absaugung am Schweißarbeitsplatz? Wer führt im Unternehmen tätigkeitsbezogene Unterweisungen durch?), in anderen Fällen – vor allem bei komplexen Aufgaben mit vielen Beteiligten – wird das Unternehmen möglicherweise auch die Art und Weise, wie die Aufgabe erledigt werden soll, vorgeben wollen (z.B. durch Erstellung einer Verfahrensanweisung für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung).
Weitere Verpflichtungen
Andere Verpflichtungen wiederum lassen sich nicht einfach zuordnen – etwa die aus § 4 ArbSchG abgeleitete Hierarchie der Maßnahmen im Arbeitsschutz (STOP – Substitution [Beseitigung der Gefahr], technische, organisatorische und personenbezogene Schutzmaßnahmen): diese muss allen, die Maßnahmen im Arbeitsschutz festlegen – und das können potenziell alle Führungskräfte sein – bekannt sein. Die Aufgabe könnte also z.B. lauten, die Kenntnis dieser Hierarchie im Rahmen der Führungskräfteschulung zum Arbeitsschutz sicherzustellen. Hierfür ist wiederum eine Zuständigkeit festzulegen. Die festgelegten Aufgaben und Zuständigkeiten bzw. ablauforganisatorischen Regelungen können ebenfalls im Rechtskataster dokumentiert werden, das dann nicht nur die Verpflichtungen, sondern auch Informationen zur betrieblichen Umsetzung enthält.
Nach Aktualisierungen sind die Zuständigen zu informieren, wenn es für sie relevante Änderungen gegeben hat, ablauforganisatorische Regelungen müssen ggf. angepasst werden. Damit wären die Zuständigkeiten sowie ggf. das Vorgehen zur Umsetzung der Rechtsanforderungen geregelt. Sofern die Zuständigen ihre Aufgaben erledigen (und ggf. – wenn ihre Befugnisse nicht ausreichen – um Hilfe rufen), dürfte eigentlich nichts mehr schiefgehen. Tun sie das aber nicht, muss das Unternehmen dieses bemerken: Wie grundsätzlich bei allen Aufgabendelegationen ist auch bei den Aufgaben, die sich aus rechtlichen Verpflichtungen ergeben, eine Überwachung erforderlich.
Überwachung
Als letzter Schritt sollte also die Überwachung geplant werden. Wie kann die Erledigung der Aufgaben und ihre Wirksamkeit überwacht werden und wer ist dafür verantwortlich? Dabei ist einerseits an die Führungskräfte zu denken, die kraft ihrer rechtlichen Verantwortung ohnehin ihren Zuständigkeitsbereich überwachen müssen, aber auch an die Fachkraft für Arbeitssicherheit (die regelmäßige Begehungen durchführt) und interne Audits, bei denen stichprobenartig ebenfalls die Einhaltung rechtlicher Verpflichtungen geprüft werden sollte. Auch dies kann im Rechtskataster festgehalten werden. Ggf. können auch spezielle Compliance-Audits durchgeführt werden, bei denen die Einhaltung der rechtlichen Verpflichtungen systematisch geprüft wird.
Nutzung von Internetportalen zur Aktualisierung des Rechtskatasters
Bei der Aktualisierung des Rechtskatasters schlägt die große Stunde der Internet-Portale. Diese sind bestens geeignet, um rechtliche Verpflichtungen und andere Anforderungen im Rechtskataster zu überwachen. So bieten die Portale in der Regel den Service, dass man ein Verzeichnis der relevanten Rechtsvorschriften anlegen kann und dann monatlich per E-Mail über relevante Änderungen in diesen informiert wird. Entspricht des Verzeichnis den Rechtstexten aus dem Rechtskataster, hat man für dieses einen Aktualisierungsservice. Die Änderungen sind in den Rechtstexten farbig hervorgehoben, so dass sie leicht zu finden und auf Relevanz zu prüfen sind. Die damit verbundene Zeitersparnis macht die Investition in einen Zugang zu einem solchen Portal sinnvoll.
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