Wie in der „Geschichte des Arbeitsschutzes“ dargestellt, hat sich das Arbeitsschutzrecht historisch aus den Arbeitsverhältnissen der Industrialisierung entwickelt. Die Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie wurde 1996 mit dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) in deutsches Recht umgesetzt. Mit ihm wurde der heutige systematische Ansatz des Arbeitsschutzes eingeführt: Ermittlung der Gefährdungen für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten durch eine Gefährdungsbeurteilung, Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen und Beurteilung ihrer Wirksamkeit. Mit der Umsetzung europäischer Richtlinien wurde ab 1996 der dort entwickelte systematische Ansatz des Arbeitsschutzes übernommen, dessen Kern eine Gefährdungsbeurteilung, Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen, Beurteilung der Wirksamkeit der Maßnahmen und ggf. Festlegung weiterer Maßnahmen sind. Im Folgenden wollen wir nun die Anforderungen des Arbeitsschutzrechts an den betrieblichen Arbeitsschutz näher betrachten.
Was sind die Grundlagen des Arbeitsschutzrechts?
Das deutsche Arbeitsschutzrecht ist heute maßgeblich von EU-Vorgaben geprägt; in der EU ist der Arbeitsschutz ein Kernbereich der Sozialpolitik. Zu unterscheiden sind dabei die Vorgaben für den betrieblichen Arbeitsschutz nach Art. 153 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV), die für die Mitgliedsstaaten nur Mindestvorschriften darstellen und weiterentwickelt werden dürfen, und die Vorgaben für den vorgreifenden Arbeitsschutz nach Art. 114 AEUV, bei denen keine Abweichung erlaubt ist. Der vorgreifende Arbeitsschutz enthält Verpflichtungen für diejenigen, die technische Erzeugnisse oder Gefahrstoffe auf den Markt bringen und greift damit dem betrieblichen Arbeitsschutz vor: wenn Arbeitsmittel schon sicher geplant und konstruiert werden, kann der Arbeitgeber überhaupt erst seiner Verpflichtung zur Gefahrenbekämpfung an der Quelle nachkommen; wenn Gefahrstoffe gekennzeichnet sind, ermöglicht das ihre leichte Identifizierung.
Im Arbeitsschutzrecht ist das wichtigste Instrument der EU die EU-Richtlinie, die für ihre Wirksamkeit in der Privatwirtschaft erst in nationales Recht umgesetzt werden muss. Daneben gibt es die Möglichkeit, unmittelbar (ohne nationale Umsetzung) geltende EU-Verordnungen zu erlassen, die allerdings lange Zeit im Arbeitsschutz kaum eine Rolle spielten, da im Bereich der Sozialpolitik eine Verabschiedung im europäischen Rat bis zur Ratifizierung der Einheitlichen Europäischen Akte 1987 nur einstimmig möglich war (seither mit qualifizierter Mehrheit, d.h. 62 von 87 Stimmen im Rat), so dass EU-Verordnungen vor allem beim Umgang mit gefährlichen Stoffen eine Rolle spielen (GHS-VO, REACH-VO).
Die Bestandteile des deutschen Arbeitsschutzrechts
Die wichtigste nationale Regelung („Grundgesetz zum Arbeitsschutz“) ist das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), das zusammen mit dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) und einigen Verordnungen, die das ArbSchG konkretisieren, sowie den Unfallverhütungsvorschriften (UVV) den Kern des deutschen Arbeitsschutzrechts bildet. Dabei enthält das Arbeitsschutzgesetz die Grundpflichten des betrieblichen Arbeitsschutzes und das Arbeitssicherheitsgesetz die Pflichten zur Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes; die Verordnungen zum ArbSchG konkretisieren die Grundpflichten entweder für alle Beschäftigten (Arbeitsstättenverordnung, Betriebssicherheitsverordnung, …) oder für bestimmte Tätigkeiten oder Branchen (Gefahrstoffverordnung [GefStoffV], Lastenhandhabungsverordnung, Baustellenverordnung, …). Die Unfallverhütungsvorschriften können alle drei Bereiche betreffen (z.B. DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“, DGUV Vorschrift 2 „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“, DGUV Vorschrift 38 „Bauarbeiten“).
Regelungen zum vorgreifenden Arbeitsschutz finden sich im Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) und Verordnungen zu diesem sowie im Chemikaliengesetz (ChemG) und in Teilen der GefStoffV. Zuständig für den Arbeitsschutz ist innerhalb der Bundesregierung das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), unterstützt wird es dabei von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Überwachung und Vollzug obliegen den Bundesländern. Die UVV werden auf Grundlage des Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung – für die gewerbliche Wirtschaft also den Berufsgenossenschaften – erlassen und durch eigene Aufsichtspersonen überwacht.
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Das Arbeitsschutzgesetz als ,,Grundgesetz des Arbeitsschutzes“
Das ArbSchG als „Grundgesetz des deutschen Arbeitsschutzes“ enthält die gesetzliche Verankerung eines präventiven und ganzheitlichen, in die betrieblichen Abläufe integrierten Arbeitsschutzes, die Verantwortlichkeiten des Arbeitgebers und anderer verantwortlicher Personen sowie die Pflicht, Gefährdungsbeurteilungen als Grundlage für die Ermittlung der notwendigen Maßnahmen des Arbeitsschutzes durchzuführen. Auch wird geregelt, wie zu verfahren ist, wenn Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber an einem Arbeitsplatz tätig werden.
Welches Ziel hat das ArbSchG?
Das Arbeitsschutzgesetz soll (§ 1 ArbSchG) „Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit“ verbessern. Sicherheit kann (vgl. DIN VDE 31000 Teil 2:1987) als „Sachlage, bei der das Risiko nicht größer als … das größte noch vertretbare Risiko eines bestimmten technischen Vorgangs“ definiert werden (ob vorhandene Risiken vertretbar sind, muss in der Gefährdungsbeurteilung bewertet werden). Dabei geht es sowohl um den Schutz vor Arbeitsunfällen als auch, wie durch die Ergänzung Gesundheitsschutz deutlich wird, vor arbeitsbedingten Erkrankungen (siehe hierzu auch § 2 ArbSchG).
Der Gesundheitsbegriff ist dabei weit auszulegen und umfasst (ILO-Übereinkommen 155) „auch die … geistig seelischen Faktoren, die … in unmittelbarem Zusammenhang mit … der Arbeit stehen“. Insbesondere bei geringer werdender Trennschärfe zwischen Arbeit und sonstigen Lebenssphären (Stichwort z.B. „ständige Erreichbarkeit“) ist es nicht immer einfach, die Aufgaben des Arbeitsschutzes und die des allgemeinen Gesundheitssystems abzugrenzen. Wenn aber z.B. das psychische Wohlbefinden auch durch die Gestaltung der Arbeit beeinträchtigt wird, besteht Handlungsbedarf; auch gelten anderswo erworbene Krankheiten, auf die Arbeitseinflüsse ungünstige Auswirkungen haben werden, als arbeitsbedingte Erkrankungen. Der Begriff geht damit deutlich über die „Berufskrankheiten“ i.S. SGB VII hinaus.
Anwendungsbereich des ArbSchG
Das ArbSchG gilt für Beschäftigte in allen Tätigkeitsbereichen. Zu diesen gehören auch „arbeitnehmerähnliche Personen“ wie wirtschaftlich Unselbstständige („Scheinselbstständige“). Auch für Werkvertragsnehmer, die in einem Betrieb arbeiten, ist der Auftraggeber verantwortlich. Nach § 2 Arbeitnehmerentsendegesetz gilt das Arbeitsschutzgesetz auch für in Deutschland tätige entsandte ausländische Beschäftigte. Währenddessen gilt für im Ausland tätige Mitarbeiter das dort geltende Arbeitsschutzrecht (es sei denn, dies ist im Arbeitsvertrag anders geregelt). Ausgenommen vom Arbeitsschutzgesetz sind Hausangestellte (u.a. wegen fehlender Kontrollmöglichkeiten – Recht auf Unversehrtheit der eigenen Wohnung nach Art. 13 Grundgesetz) sowie Beschäftigte auf Seeschiffen und im Bergbau (für die es eigene, hier nicht dargestellte Vorschriften gibt).
Verantwortlichkeiten im Arbeitsschutz
Der zweite Abschnitt des ArbSchG enthält die Arbeitgeberpflichten. Dieser Abschnitt wendet sich also an Arbeitgeber. In der Praxis ist dies zumeist eine juristische Person (z.B. eine GmbH oder eine AG), die Beschäftigte (siehe Anwendungsbereich) beschäftigt. Da eine juristische Person nicht selber handeln kann, sind in § 13 Arbeitsschutzgesetz die verantwortlichen Personen genauer festgelegt. Dies sind neben dem Arbeitgeber (der ja auch eine natürliche Person sein kann):
- die vertretungsberechtigten Organe einer juristischen Person (also der/die Geschäftsführer einer GmbH, der Vorstand einer AG, …),
- Personen, die mit der Leitung eines Unternehmens oder eines Betriebes beauftragt sind, im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse (das umfasst potenziell alle Führungskräfte – entscheidend ist nicht die Bezeichnung, sondern die Funktion und die damit einhergehenden Verantwortlichkeiten),
- Sonstige, nach … einer … Rechtsverordnung oder nach einer Unfallverhütungsvorschrift verpflichtete Person im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse (ein Beispiel wäre der Strahlenschutzverantwortliche nach Strahlenschutzverordnung).
- Der Arbeitgeber kann zudem nach § 13 (2) ArbSchG zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm obliegende Aufgaben … in eigener Verantwortung wahrzunehmen. (Ergänzt wird dies durch eine Regelung im entsprechenden § 13 DGUV Vorschrift 1, die fordert, dass die Beauftragung den Verantwortungsbereich und die Befugnisse enthält und vom Beauftragten unterschrieben werden muss.)
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Übertragung der Arbeitgeberpflichten
Eine ausdrückliche Übertragung der Arbeitgeberpflichten ist also nur im letzten Fall gefordert. Schon aus Gründen der Transparenz empfiehlt es sich jedoch dringend, hierzu insbesondere in mittleren und großen Betrieben, wo die konkrete Gestaltung der Arbeitsprozesse und damit die Bedingungen für den Arbeitsschutz von Führungskräften bestimmt werden, Regelungen zu treffen. Damit wird nachvollziehbar sichergestellt, dass die Führungskräfte ihre Aufgaben und Verantwortlichkeiten kennen. Diese Pflicht kann sich auch aus der in § 3 Arbeitsschutzgesetz enthaltenen Grundpflicht, „für eine geeignete Organisation zu sorgen“, ergeben.
Da bei dieser Festlegung nur die Wahrnehmung ohnehin bestehender gesetzlicher Pflichten innerbetrieblich geregelt wird, sprechen Juristen auch von „unechter Delegation“. Im Fall der schriftlichen Beauftragung nach § 13 (2) ArbSchG handelt s sich dagegen um eine „echte Delegation“, die auch bußgeld- und strafrechtliche Bedeutung hat (§ 9 (2) Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG), § 14 (2) Strafgesetzbuch). Obwohl formal auch die Übertragung von Aufgaben an die Fachkraft für Arbeitssicherheit (FASi) oder den Betriebsarzt möglich ist, ist zu beachten, dass dies nur neben der Wahrnehmung der Aufgaben nach dem ASiG möglich ist, da beide Funktionen ja ausdrücklich eine Stabsstelle und gegenüber den Mitarbeitern nicht weisungsberechtigt sind; zudem sind beide nicht weisungsgebunden. Problematisch sind zudem mögliche Interessenkonflikte zwischen den Aufgaben als Verantwortlicher und FASi/-Betriebsarzt.
Zu beachten:
Bei der Übertragung von Aufgaben ist weiterhin immer zu beachten:
- Auswahlpflicht: Grundsätzlich gilt nach § 831 BGB, dass „Verrichtungsgehilfen“ sorgfältig ausgewählt werden müssen; konkret müssen die beauftragten Personen nach § 13 (2) Arbeitsschutzgesetz zuverlässig und fachkundig sein.
- Anweisungspflicht: Nach § 81 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) muss der Arbeitgeber Arbeitnehmer über ihre Aufgabe und Verantwortung, Art der Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf unterrichten.
- Ausrüstungs- und Ausstattungspflicht: Befugnisse müssen der Aufgabe entsprechen.
- Aufsichtspflicht: Der Delegierende muss sich vergewissern, dass der Beauftragte seiner Aufgabe nachgeht. Das ergibt sich u.a. aus § 130 OWiG (sorgfältige Überwachung von Aufsichtspersonen). Die Unternehmensleitung kann die Oberaufsicht nicht weg delegieren.
Die Übertragung von Aufgaben im Sinne des § 13(2) ArbSchG (die „echte Delegation“) ist eine Einzelmaßnahme und daher nicht nach § 87 BetrVG mitbestimmungspflichtig, der Betriebs- bzw. Personalrat ist nach § 80 (2) BetrVG aber hierüber zu informieren. (Die allgemeine Aufbauorganisation im Arbeitsschutz ist als generell abstrakte Regelung dagegen mitbestimmungspflichtig.)
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